Stadt Linz bietet ab Herbst 2024 bilingualen Kindergarten und Krabbelstube an Zweisprachiges Angebot auf Deutsch und Englisch steht allen Linzer Familien zur Verfügung
- Fachhochschul-Studie erhob vorab Bedürfnisse und Perspektiven von Eltern und Personalverantwortlichen
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ – formulierte der Philosoph Ludwig Wittgenstein zur Bedeutung guter Sprachkenntnis. Unbestritten ist, dass neben der perfekten Kenntnis der Muttersprache auch eine Zweitsprache entscheidende Vorteile für die persönliche, soziale und berufliche Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat. Die Stadt Linz widmet sich verstärkt ab dem kommendem Schuljahr 2024/25 daher dieser wichtigen Aufgabe: ab diesem Zeitpunkt werden sowohl der städtische Kindergarten als auch die Krabbelstube in der Poschachervilla als bilinguale Angebote geführt. Dies bedeutet, dass ein Teil des pädagogischen Personals aus englischen Native Speaker*innen besteht und mit den Kindern ausschließlich Englisch spricht. 60 Prozent der pädagogischen Aktivitäten, Rituale und Interaktionen sollen damit auf Englisch stattfinden, 40 Prozent auf Deutsch. Dieser Ansatz folgt dem so genannten Zweisprachenmodell, welcher Kindern neben größtmöglichem Sprachinput auch durchgängige Sicherheit und Orientierung ihren Bezugspersonen gegenüber bietet.
Das Angebot ist für alle Linzer Familien zugänglich, unabhängig von ihrer Herkunft oder beruflichen Situation. Sollte die Nachfrage größer sein als die gebotenen Kapazitäten, gelten die gesetzlich vorgesehenen Reihungskriterien – dies gewährleistet fairen Zugang für alle Familien. Die bereits bestehenden Borealis-Gruppen in der Poschachervilla sind von den Änderungen nicht betroffen.
Der Konzeption des neuen Angebots vorausgegangen ist eine fundierte Analyse der Bedürfnisse von Eltern aber auch der Perspektiven von Personalmanagern von Linzer Unternehmen im Rahmen eines Forschungsprojekts der FH Oberösterreich – Campus Linz. Dies geschah, um Erkenntnisse für die Ausrichtung des bilingualen Konzepts zu generieren. Die organisatorische Drehscheibe für diese Kooperation stellte die Magistrats-Abteilung Innovation, Wirtschaft und EU dar.
„Mehrsprachigkeit stellt in unserer globalisierten, vernetzt kommunizierenden Welt eine absolute Notwendigkeit dar. So ist nicht nur in unzähligen Berufen das Beherrschen einer Zweitsprache – allen voran Englisch – unabkömmlich, sondern auch entscheidender Faktor zur Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen. Die Qualifikation der Fachkräfte von morgen muss uns daher bereits heute ein zentrales Anliegen sein, um unseren Kindern individuelle Chancen zu ermöglichen und den Wirtschaftsstandort langfristig zu stärken“, erklärt Bürgermeister Klaus Luger.
„Als für die Kinderbildung zuständige Sozialreferentin freut es mich besonders, dass wir dieses Angebot für alle Linzer Familien zur Verfügung stellen können. Das Projekt Bilinguale Kinderbildung trägt durch sprachliche Qualifizierung dazu bei, leider immer noch bestehende Aufstiegs-Hindernisse von Kindern aus bildungsferneren Familien abzubauen. Ich sehe in dieser Initiative auch ein Stück gelebter Chancengleichheit“, betont Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Karin Hörzing.
„Je besser entwickelt die Sprachfähigkeit eines Kindes und je vielfältiger sein Sprachschatz ist, desto leichter gelingt diesem das Verstehen und Aneignen des Geschehens in der Welt – zusätzlich erweitern sich auch die Sozialkompetenzen des Kindes in spielerischer Form. Das ab dem kommenden Schuljahr in der Poschachervilla angewendete Konzept ist wissenschaftlich auf neuestem Stand“, berichtet Daniel Hagendorf, MA, Direktor der städtischen Unternehmung Kinder- und Jugendservices.
„Es freut uns sehr, dass wir den Campus Linz der FH Oberösterreich mit einem wissenschaftlichen Vorprojekt gewinnen konnten. Die Ergebnisse stellen ein solides Fundament für die weitere Konzeption des Projektes Bilinguale Kinderbildung in der Poschachervilla dar. Der Bereich Innovation, Wirtschaft und EU der Stadt Linz sieht sich als niederschwellige Drehscheibe zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Politik – mit dem Ziel, Synergien zum Wohle der Linzer Bürgerinnen und Bürger zu heben“, sagt Vanessa Böttcher-Hofmann, Abteilung Innovation, Wirtschaft und EU der Stadt Linz.
Der Kindergarten Poschachervilla wird im kommenden Bildungsjahr 2024/25 seine Pforten mit sechs Kindergarten- und vier Krabbelstubengruppen öffnen. Beide Betreuungsformen werden somit um jeweils zwei Gruppen aufgestockt, um einerseits den Bedarf an bilingualer Bildung abzudecken und andererseits um den frühen Beginn des Spracherwerbs zu fördern.
Die kommenden Monate werden dazu genützt, um die benötigten Materialen je Gruppe zusammenzustellen, Unterlagen und Informationsmaterial auf Englisch zu produzieren sowie ein bis zwei Native Speaker*innen als pädagogische Assistent*innen zu rekrutieren. Im Frühling kommenden Jahres starten darüber hinaus zusätzliche Schulungen für Native English für das Personal. Ab Herbst 2024 werden zwölf Pädagog*innen sowie vier Native Speaker im gesamten Haus tätig sein. Bereits heute werden Natives an diesem Standort eingesetzt.
Die Poschachervilla wurde 2007 von der Stadt Linz angekauft, generalsaniert und als Kinderbetreuungseinrichtung adaptiert. Bild: Stadt Linz / Sturm
Zweisprachen-Modell: Jede Bezugsperson spricht ihre fixe Sprache
Die Methodik des bilingualen Kindergartens wurde im Vorfeld evaluiert und mehrere Modelle der kindlichen, spielerischen Sprachvermittlung geprüft. Ab Herbst zum Einsatz kommen wird das so genannte Zweisprachen-Modell. Dieses verfolgt den Ansatz, dass jede*r Erwachsene in nur einer Sprache zu den Kindern spricht und nicht zwischen verschiedenen Sprachen wechselt. Dies gibt den Kindern Orientierung und Sicherheit. Darüber hinaus belegen Studien, dass durch die Einsprachigkeit im Kontakt mit anderen Personen der größtmögliche Sprachinput erzeugt wird.
Der gesamte Kindergarten, einschließlich der Krabbelstubengruppen, wird bilingual geführt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der englischen Sprache, wobei mindestens 60 Prozent der Kommunikation in Englisch erfolgen und 40 Prozent auf Deutsch.
Alle pädagogischen Aktivitäten, Rituale und Interaktionen innerhalb des Kindergartens finden in beiden Sprachen statt.
Rahmenbedingungen: Eltern und Wirtschaft eingebunden
Um den Bedarf der Linzer Familien sowie die Inputs von Unternehmen bei der Umsetzung des Projektes bestmöglich abzubilden, kooperierte die Stadt Linz bereits im Vorfeld mit der Fachhochschule Oberösterreich – Campus Linz. Organisatorische Drehscheibe für die Kooperation war dabei die Magistrats-Abteilung Innovation, Wirtschaft und EU.
Im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes der Empirischen Sozialforschung unter der Leitung von FH-Prof.in Mag.a Dr.in Daniela Wetzelhütter untersuchten Studierende die Thematik mittels Leitfadeninterviews und quantitativen Fragebögen. Insgesamt wurden 173 Eltern befragt, deren Kinder an sechs Kindergarten-Standorten im gesamten Stadtgebiet eingeschrieben sind. Zusätzlich wurden 125 Personalverantwortliche von Linzer Unternehmen gebeten, ihre Perspektive – mit Fokus auf den Betrieb bzw. den Anforderungen ihrer Mitarbeiter*innen – zu teilen. Ein Auszug aus den Ergebnissen:
- Mehr als zwei Drittel der befragten Elternteile gaben an, sehr großes bzw. großes Interesse an dem Angebot einer bilingualen Kinderbetreuung durch die Stadt Linz zu haben. Dies trifft auch auf mehr als die Hälfte der befragten Personalmanger*innen zu.
- Für die Sprachvermittlung bevorzugen die Eltern folgende Optionen: bestimmte Aktivitäten (z. B. Morgenkreis, Spielphasen), durch eine Betreuungsperson (one person/one Language) sowie die spielerische Vermittlung.
- Als größte Hürde, die gegen eine Inanspruchnahme einer bilingualen Kinderbetreuung sprechen würde, wurde eine zu große Entfernung der Betreuungseinrichtung zum Wohnort bzw. Arbeitsplatz genannt. Ferner wurde angegeben, das Kind nicht überfordern zu wollen.Etwa die Hälfte der Eltern sowie neun von zehn Unternehmensvertreter*innen wünschen sich ein zweisprachiges Kinderbetreuungsangebot in der Ganztages-Form.
Englisch als Zweitsprache im Kindergarten – der Bedarf ist gegeben
Die Globalisierung unserer Welt schreitet in immer schnelleren Schritten voran: so hat nicht nur die physische Mobilität – Stichworte Migration und Tourismus – in den vergangenen Jahrzehnten massiv zugenommen. Auch die digitale Vernetzung schreitet mit Riesenschritten voran. In international agierenden Unternehmen arbeiten häufig Teams aus unterschiedlichen Nationen oder gar Kontinenten remote an ein und demselben Projekt. Fast immer ist Englisch als Weltsprache der gemeinsame Nenner, mit dessen Hilfe kommuniziert wird. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass das frühe Erlernen einer Fremdsprache die Möglichkeit für eine Vertiefung und Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse im späteren Schulunterricht erheblich verbessert. Bilinguale Betreuung von Kindern im Krabbelstuben- und Kindergartenalter legt somit den Grundstein für solide Englischkenntnisse Jugendlicher und junger Erwachsener. Sie wirkt sich zudem nachhaltig auf die berufliche, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe aus.
Sprache lässt Sozialkompetenzen wachsen
Sprachkenntnis ist eng mit Bildung verknüpft, da sich Denken wesentlich auf Sprache stützt. Je besser entwickelt die Sprachfähigkeit eines Kindes und je vielfältiger sein Sprachschatz ist, desto leichter gelingt das Verstehen und Aneignen des Geschehens der Welt. Gleichzeitig wird es dem Kind durch Sprache möglich, mit anderen in sehr differenzierter Form in Kontakt zu treten, sich mitzuteilen und die Mitteilungen anderer zu verstehen. Seine Sozialkompetenzen erweitern sich. Hat ein Kind die Möglichkeit, neben seiner Muttersprache eine zweite Sprache in sein tägliches Lebensumfeld auf natürliche Art und Weise zu erleben, erwirbt es diese ohne große Probleme und kann damit seine Sprach- und Sozialkompetenzen spielerisch erweitern. Durch die Unbeschwertheit und Neugier gelingt der Erwerb einer zweiten Sprache im Vergleich zu Erwachsenen viel leichter und unkomplizierter, da Kinder unter anderem weniger Angst haben, Fehler zu machen.
Zwei Sprachen – viele Vorteile
Wissenschaftlich erwiesen ist darüber hinaus, dass Kinder durch das Erlernen einer Zweitsprache ein besseres Bewusstsein von Sprache entwickeln, es fällt ihnen in weiterer Folge das Lernen zusätzlicher Sprachen (Dritt- oder Viertsprachen) ebenfalls leichter. Dies geschieht, da das frühkindliche Lernen einer Zweitsprache dazu beiträgt, dass sich im Sprachzentrum des Gehirns ein komplexes Sprachverarbeitungssystem herausbildet („Zweisprachen-Netz“). Darüber hinaus entwickeln Kinder eine offenere und angstfreiere Einstellung gegenüber fremden Sprachen. Zusätzlich wird im Zuge des Zweisprachenangebotes die Lernbereitschaft gefördert.
Hirnforschung: Gleiche Ausgangslage für Kinder mit Migrationshintergrund
Die Hirnforschung ist heute auf dem Stand, dass ein Gehirn Platz für viele Sprachen hat. Entgegen früheren Annahmen bleiben die Herkunftssprachen in Familien mit Migrationshintergrund weitgehend verankert und werden nicht durch die deutsche oder englische Sprache verdrängt. Auch wird Sprachmischung heute viel mehr als pragmatische Fähigkeit von Kindern und nicht mehr als Defizit betrachtet. Mehrsprachige Kinder nutzen die verschiedenen Sprachen, über die sie verfügen, als Ressourcen und erweiterten damit ihre Ausdrucksmöglichkeiten. Bei zweisprachigen Bildungsangeboten – etwa Deutsch und Englisch, wie im konkreten Fall – kommen Kinder mit anderen Ausgangssprachen nicht als „Sprachunkundige“ in die Bildungseinrichtung. Sie bringen, genau wie einsprachige Kinder auch, ihr erstsprachliches Wissen mit und ihr kognitiver Entwicklungsstand kann nicht an ihren Deutschkenntnissen gemessen werden.
Poschachervilla: Vom Industriellen-Sitz zum Kindergarten
Die Stadt Linz erwarb die Poschachervilla inklusive ihres 2.700 Quadratmeter großen Parks im Jahr 2007 von den ÖBB. Nach einer aufgrund des Denkmalschutzes behutsamen Generalsanierung konnte 2010 erstmals eine Kinderbetreuungseinrichtung – damals mit zwei Kindergarten- und zwei Krabbelstubengruppen – eröffnet werden.
Entstanden ist die Industriellenvilla 1840 aus dem Umbau eines Landgutes. Lange Zeit diente sie dem Linzer Brauereibesitzer Josef Poschacher, nach dem auch die angrenzende Straße benannt ist, als Wohnsitz, was der ehemaligen „Gabrielenvilla“ letztlich ihren Namen gab.
(Informationsunterlage zur Pressekonferenz mit Bürgermeister Klaus Luger und Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Karin Hörzing zum Thema „Bilinguale Kinderbildung und –betreuung in der Poschachervilla“)
Weitere Gesprächspartner*innen:
Daniel Hagendorf, MA, Direktor Kinder- und Jugendservices Linz (KJS)
Ana Zuljevic, Vanessa Böttcher-Hofmann, Alexandra Graffonara, Abteilung Innovation, Wirtschaft und EU, Stadt Linz
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