„Ein Plan für alle Fälle“: Stadt Linz präsentiert umfassenden Pandemie-Plan Städtisches Pandemie-Management bleibt trotz Ende von Covid-19 im Stand-By-Modus
- Maßnahmen-Bündel beinhaltet Erfahrungen und Strukturen aus Corona-Krisenbewältigung
Seit knapp zwei Wochen ist Covid-19 keine meldepflichtige Krankheit mehr und somit – zumindest nach Maßstäben des behördlichen Epidemiologie-Managements – Geschichte. Mit Auftreten der ersten Fälle in der Linzer Bevölkerung Ende Februar 2020 stellte die Pandemie auch das Leben in der Landeshauptstadt mit einem Schlag auf den Kopf. Knapp drei Wochen später verfügte die Bundesregierung den ersten Lockdown. Alles Weitere ist bekannt.
Die Corona-Pandemie hat Gesellschaften weltweit vor Augen geführt, wie verwundbar sie in dieser Hinsicht sind. So gab es in Österreich bzw. auch in Linz bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Influenza-Pläne, die zwar strukturelle Krisen-Interventionen vorsahen, jedoch zu spezifisch und wenig praxisorientiert waren. Die Gefahr durch Virusinfektionen ist hingegen nach wie vor real: Die World Health Organisation listet 45 schwerwiegende Infektionskrankheiten auf, die sich seit 1996 verbreitet haben – von Monkey Pox (Affenpocken) über Ebola, Vogelgrippe bis hin zu Cholera.
Für die Stadt Linz sind die Herausforderungen durch Epidemien bzw. Pandemien daher keinesfalls beendet. In den vergangenen Monaten erarbeitete eine Projektgruppe der Stadt Linz einen umfassenden Pandemie-Notfallplan. Dieser baut auf den Erfahrungen und Schlussfolgerungen von drei Jahren behördlicher Krisenarbeit auf, mit dem Ziel, belastbare Strukturen für allfällige Gesundheitskrisen der Zukunft bereitzustellen. So ist etwa der Krisenstab binnen zwölf Stunden einsatzbereit und sämtliche kritische Pandemiebereiche verfügen über eine 24/7 Rufbereitschaft. Darüber hinaus werden Schutzausrüstungen sowie Desinfektionsmittel in adäquatem Rahmen vorgehalten. Außerdem steht geschultes Contact-Tracing-Personal für allfällige Absonderungen nach dem „Miliz-System“ zur Verfügung.
„Die Stadt Linz und ihr Krisenmanagement konnten in drei Jahren Corona-Pandemie mit 175 Krisenstabs-Sitzungen eine Vielzahl an Erkenntnissen gewinnen, wie einer Gesundheitskrise pragmatisch und effektiv begegnet werden kann. Der vorliegende Pandemie-Plan stellt ein solides Fundament für allfällige epidemiologische Bedrohungen der Zukunft dar, indem er so allgemein wie nötig und gleichzeitig so praxisorientiert wie möglich – also ein ‚Plan für alle Fälle‘ – ist“, erklärt Bürgermeister Klaus Luger.
„Ich bedanke mich beim Projektteam, das diesen Pandemie-Plan in den vergangenen Monaten noch deutlich vor dem Aufliegen des bundesweiten, adaptierten Epidemiegesetzes mit großem Pragmatismus erarbeitet hat. Besonderer Dank gilt dabei unserem langjährigen Direktor des Geschäftsbereiches Gesundheit und Sport, Mag. Dr. Dietmar Nemeth, der in den kommenden Monaten seinen Ruhestand antreten wird. Mit dem Pandemie-Plan findet das Kapitel Covid-19 nun endgültig seinen Abschluss“, sagt Gesundheitsstadtrat Dr. Michael Raml.
„Der Pandemie-Plan sieht konkrete Handlungsanleitungen für bestimmte Bedarfsfälle vor, was es dem Magistrat ermöglicht, sich binnen kürzester Zeit schlagkräftig aufzustellen, etwa um Contact-Tracing in erforderlichem Ausmaß bereitzustellen. Auch verfügen wir heute durch gezieltes Daten-Monitoring über eine Frühwarn-Funktion, um allfällige Entwicklungen absehen zu können. Der Plan wird laufend evaluiert und jährlich mit den wichtigsten Einsatzorganisationen abgeglichen“, betont Magistratsdirektorin Mag.a Ulrike Huemer.
„Leider gibt es Szenarien, die voraussagen, dass die Pandemiewahrscheinlichkeit in der Zukunft zunimmt. So sorgen mitunter der Klimawandel, Wanderungsbewegungen sowie auch Verschiebungen in der Tierwelt – Stichwort Tigermücke – laufend für neue Herausforderungen, welche das Potenzial haben, veritable Gesundheitskrisen auszulösen. Auf diese Risiken geht der Pandemieplan gezielt ein“, analysiert Mag. Dr. Dietmar Nemeth, Direktor des Geschäftsbereiches Gesundheit und Sport.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie
16. März 2020 – plötzlich Lockdown: nicht nur die Stadt Linz, sondern sämtliche Verwaltungsbehörden, Unternehmen und Organisationen standen im März 2020 vor der Situation: Wie mit der „neuen Normalität“ umgehen? Welche Maßnahmen gilt es zu ergreifen? Und nach welcher Struktur arbeitet man eine Pandemie ab?
Die Stadt Linz aktivierte ihre Strukturen des Katastrophenschutzes, adaptierte diese fortlaufend und bildete so bereits in den ersten Wochen der Covid-Pandemie effektive und belastbare Strukturen, die neben der Aufrechterhaltung des magistratsspezifischen Tagesgeschäftes sämtliche pandemiebezogenen Agenden abdeckten.
Um jedoch auch für zukünftige Gesundheitskrisen gewappnet zu sein, die laut Expert*innen aufgrund der globalen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und klimatischen Entwicklungen häufiger als bisher auftreten werden, hat die Stadt Linz in den vergangenen Monaten den vorliegenden Pandemie-Plan ausgearbeitet. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreter*innen sämtlicher im städtischen Krisenstab vertretenen Funktionen, leitete aus den Learnings der Pandemiearbeit klare und allgemeingültige Handlungsempfehlungen für verschiedene Pandemie-Szenarien ab. Ziel ist es, effektives und entschlossenes Handeln im Ernstfall sicherzustellen. Als Grundlage wurden bewährte Konzepte und Maßnahmen herangezogen, die durch Erfahrungswerte während Covid-19 ergänzt wurden, und Verbesserungen mit einbezogen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sollen bis Ende 2023 eine adaptierte Version des Pandemiegesetzes sowie ein nationaler Pandemieplan vorliegen, mit welchen der Linzer Pandemie-Plan in weiterer Folge abgestimmt werden wird.
„Leider waren Bezirke, Städte und Gemeinden von Seiten der Bundespolitik während der Pandemie häufig auf sich allein gestellt. Der Linzer Pandemie-Plan bildet den kommunalen Handlungsbedarf der Stadt Linz in einem Pandemie-Fall ab und ist somit als unverzichtbare Ergänzung auf allfällige nationale Regelungen zu sehen und keinesfalls als Parallelstruktur“, erklärt Bürgermeister und Bezirkshauptmann Klaus Luger.
Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick
Die Corona-Pandemie hat die Dramatik „neuer“ Viruserkrankungen und deren globaler Auswirkungen deutlich vor Augen geführt. Die Stadt Linz hat vor allem für die Epidemiologie sowie im Hinblick auf strukturelle und personelle Bedarfe eine Vielzahl an Lehren ziehen können.
So sieht der Pandemie-Plan vor, dass nicht nur die wesentlichsten internationalen Viruserkrankungen laufend mittels Risikodarstellung abgebildet werden, sondern auch ein Krisenmanagement, das auf den bewährten und flexiblen Stabsfunktionen (S1 - S6) aufbaut. Virusabhängige Handlungsfelder, wie Testen, Impfen etc., sind vorab definiert und können in weiterer Folge durch untergeordnete „Planungszellen“ von Expert*innen weiter aus- bzw. abgearbeitet werden.
Die wesentlichsten Maßnahmen, die der Pandemie-Plan der Stadt Linz nun vorsieht, umfassen:
- Der Krisenstab der Stadt Linz ist binnen zwölf Stunden einsatzbereit und kann auf krisenautarke Infrastruktur (Räume, IT, Versorgung) zurückgreifen.
- Sämtliche kritische Pandemiebereiche (Behördliche Einsatzleitung, Gesundheit, Kommunikation, Infrastruktur, Versorgung) stehen 24/7 unter Rufbereitschaft.
- Schutzausrüstung für Gesundheitskrisen (z. B. Masken, Schutzanzüge, Handschuhe, Brillen, Desinfektionsmittel, etc.), werden in adäquatem Ausmaß bereitgehalten.
- Mittels eines „Miliz-Systems“ steht ein Pool an ausgebildeten Contact-Tracer*innen zur Durchführung des Absonderungsmanagements zur Verfügung.
- Checklisten für virusspezifische Maßnahmen (Testen, Impfen, Medikamente, etc.) liegen vor.
- Daten des Epidemiologischen Melde-/Informationssystems Linz bzw. Anbindung an das EMS 2.0 werden permanent upgedatet.
- Frühwarn-Funktion: Pandemie-Monitoring und Reports sollen auffällige (internationale) Entwicklungen frühzeitig abbilden.
- Back-ups: Das städtische Gebäudemanagement (GB GMT) stellt das Back-up-System für Gebäude und Logistik dar.
- Die Belegschaft des Magistrats kann binnen zwei Arbeitstagen in den Homeoffice-Modus versetzt werden.
- Die städtische Krisenkommunikation stellt ein Standby-System zur Verfügung, das die städtische Website linz.at als zentralen Content-Hub für eine Vielzahl an bespielten Kanälen positioniert.
- Updates des Planes sowie eine laufende Abstimmung mit Rettungs- und Einsatzorganisationen erfolgen jährlich.
Bedrohung durch Infektionskrankheiten ist real
Erkrankungen durch Viren, Bakterien und andere Mikroorganismen stellen seit jeher ernstzunehmende Herausforderungen für die Menschheit dar. Anders als in vorangegangenen Jahrzehnten, als Infektionskrankheiten häufiger auf bestimmte Regionen beschränkt waren, ist heute durch die gestiegene Mobilität ein weitaus größeres Risiko gegeben, dass sich Krankheiten weltweit ausbreiten. Auf den Punkt gebracht: innerhalb von 24 Stunden kann jedes Pathogen von A nach irgendwo in B auf der Welt reisen.
Die World Health Organisation (WHO) listet in folgender Grafik die seit 1996 aufgetretenen Infektionskrankheiten auf, die binnen 24 Stunden weltweit verbreitet werden können.
Besonders hohe Risikowahrscheinlichkeiten gehen derzeit von Coronaviren-Erkrankungen sowie von so genannten Tropenerkrankungen aus. Neben Covid-19 sind laut WHO bzw. der University of California vor allem das Ebola- und Marburg-Virus sowie Lassa- und Nipah-Virus von epidemiologischer Bedeutung, da die Sterblichkeitsraten bei diesen Erkrankungen weit über jene von Covid-19 hinausgehen. Vor allem in Äquatorialguinea und Tansania breitete sich das Marburg-Virus aus und zeigt, dass diese Bedrohung durchaus real ist. Epidemiologisch relevant war auch 2022 das Auftreten der Monkey Pox (Affenpocken).
Neben Zoonosen – also Infektionskrankheiten, die bei Tieren und Menschen vorkommen und wechselseitig übertragen werden können – und gestiegener globaler Mobilität stellen vor allem klimatologische Verschiebungen große Herausforderungen dar. So herrschen durch steigende Temperaturen auch in Mitteleuropa bessere Überlebensbedingungen für Insekten (Neobiota wie z. B. Stechmücken), welche Infektionskrankheiten übertragen. Beispielsweise sind 200 Fälle des West-Nil-Virus in Europa durch die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC im Jahr 2022 dokumentiert. Auch Tigermücken, die das Dengue-Fieber-Virus übertragen können, haben Europa, auch Österreich und Linz, erreicht.
Ebenfalls von der WHO als dringliche Bedrohung eingestuft sind Infektionen durch den Hefepilz Candida Auris, welcher bereits in 40 Ländern nachgewiesen werden konnte. Im EU-Raum verdoppelten sich die Infektionen im Jahr 2021 auf 655 Fälle – bei einer Mortalität der Erkrankung von 30 bis 70 Prozent. Betroffen sind ausnahmslos immungeschwächte Personen, was vor allem für Krankenhäuser und Pflegeheime eine große Bedrohung darstellen kann.
„Corona hat gezeigt, dass die bislang gültige ‚Faustregel‘, dass in etwa alle 100 Jahre eine Pandemie in Erscheinung tritt, nicht mehr anwendbar ist. Wir müssen jedenfalls davon ausgehen, dass kommende Gesundheitskrisen völlig anders sein werden als Covid-19. Daher ist es absolut ratsam, sich vorab auf allfällige Bedrohungslagen vorzubereiten, um dann flexible und erprobte Systeme zur Verfügung zu haben“, resümiert Gesundheitsstadtrat Dr. Michael Raml.
Wechsel an der Spitze des Geschäftsbereiches Gesundheit und Sport
Mit 1. Oktober kommt es zu einem Wechsel an der Spitze des Geschäftsbereichs Ge-sundheit und Sport, da dessen langjähriger Leiter, Mag. Dr. Dietmar Nemeth, seinen wohlverdienten Ruhestand antritt. Ihm folgt Mag. Ulrich Püschel in dieser verantwortungsvollen Position nach.
„Unser Dank gilt Mag. Dr. Nemeth, der während der Pandemie Unglaubliches geleistet hat. War die Epidemiologie im Magistrat bis März 2020 lediglich mit einer Halbtages-Kraft besetzt, so schaffte er es, binnen neun Monaten ein Team von 145 Mitarbeiter*innen aus den Geschäftsbereichen Gesundheit und Sport sowie der Bau- und Bezirksverwaltung in der Pandemiearbeit zu managen. Die Zahlen sprechen für sich: sein Team bearbeitete an die 200.000 Covid-Verdachtsfälle, bei 175 Krisenstabs-Sitzungen war Nemeth inhaltlicher Dreh- und Angelpunkt. Im Namen der Linzer Bevölkerung sowie der Stadtverwaltung bedanken wir uns herzlich für diesen beispiellosen Einsatz, der nun durch die Erstellung des Pandemie-Planes seinen Abschluss findet“, betonen Bürgermeister Klaus Luger, Gesundheitsstadtrat Dr. Michael Raml sowie Magistratsdirektorin Mag.a Ulrike Huemer.
Informationsunterlage zur Pressekonferenz mit Bürgermeister Klaus Luger und Gesundheitsstadtrat Dr. Michael Raml zum Thema „Linz präsentiert umfassenden Pandemie-Plan“)
Weitere Gesprächspartner*innen:
Mag.a Ulrike Huemer, Magistratsdirektorin der Stadt Linz
Mag. Dr. Dietmar Nemeth, Direktor Geschäftsbereich Gesundheit und Sport
Downloads zum Medienservice
Zum Betrachten von PDF-Dokumenten benötigen Sie einen PDF-Reader:
Die Stadt Linz fördert im Rahmen der Open Commons Region Linz den Einsatz von freier, anbieterunabhängiger Software. Freie PDF-Reader für Ihr Betriebssystem finden Sie auf der Seite pdfreaders.org (neues Fenster), einem Angebot der Free Software Foundation Europe. Sie können auch den PDF-Reader von Adobe verwenden.