Medienservice vom: 07.08.2019

Linz im Klimawandel Maßnahmenempfehlungen für ein Stadtklimaprogramm

Die Klimakrise wird von Jahr zu Jahr stärker bemerkbar. Speziell für Städte ist das Auftreten von Hitzewellen mit heißen Tagen und Tropennächten eine besondere Herausforderung. Ohne diesen zu begegnen, verlieren Städte - und damit auch Linz - zunehmend an Lebensqualität. Sommerkomfort, Durchlüftung und Hitze in der Stadt müssen daher in vielen Bereichen der Stadt, der Stadtplanung, in der Verwaltung, in der Daseinsvorsorge und im BürgerInnenservice in Zukunft viel größere Berücksichtigung finden. Auf Initiative von Umweltstadträtin Mag.a Eva Schobesberger hat das Umweltmanagement der Stadt Linz die ExpertInnen von Weatherpark - Meteorologische Forschung und Dienstleistungen deshalb beauftragt, die bestehenden Stadtklimainformationen zu Linz zu erheben und zu bewerten. Ziel dieser Studie ist es, den aktuellen Status der derzeit verfügbaren Stadtklimainformationen (Grundlagen, Stand der Technik, Verfügbarkeit, etc.) zu erfassen und darauf aufbauend auf die Stadt Linz abgestimmte Maßnahmenempfehlungen für ein Stadtklimaprogramm abzuleiten. 

„Es war mir wichtig, dass eine profunde Istzustandserhebung zu unseren Stadtklimainformationen durchgeführt wird, um mögliche Lücken zu erkennen und um konkrete auf die Situation von Linz maßgeschneiderte Maßnahmen zu entwickeln. Die nun vorliegenden Empfehlungen zeigen uns, welche Schritte in unserer Stadt gesetzt werden müssen, um eine echte Stadtklimapolitik zu etablieren. Klimafragen müssen in alle kommunalen Aufgabengebiete integriert werden. Die zuständigen Geschäftsbereiche und Abteilungen in der Stadt müssen mit ausreichend finanziellen Mitteln und vor allem mit den benötigten personellen Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet werden, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Zugleich müssen wir so ehrgeizig wie möglich daran arbeiten, die kommunalen Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich zu reduzieren und langfristig zu beseitigen“, sagt Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger.

Linz im Klimawandel 

Laut ZAMG wird der Sommer 2019 mit großer Wahrscheinlichkeit einer der fünf heißesten Sommer der 253-jährigen Messgeschichte. Sieben Sommer der 2000er-Jahre sind unter den zehn heißesten Sommern der Messgeschichte zu finden. Auch Linz wird somit immer öfter von Hitzewellen erfasst, wie die von der ZAMG zur Verfügung gestellte Auswertung der Kysely-Hitzewellentage (1931-2018) für Linz zeigt.

Ein Kysely-Tag bedeutet, dass die Temperatur über 30 °C an diesem Tag gestiegen ist, dass und an mindestens 3 Tagen hintereinander dieses Kriterium erfüllt wird sowie während der Periode nur jeweils ein Tag vorkommt, an dem die Maximaltemperatur bis minimal 25 °C fällt. Wenn anschließend wieder ein Tag mit über 30 °C vorkommt, kann in Folge ein weiterer Tag dabei sein, an dem die Höchsttemperatur auf minimal 25 °C fällt. War eine Hitzewelle in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts noch ein extrem seltenes Ereignis, kommt diese im letzten Jahrzehnt fast jedes Jahr vor.  

Durch den „Hitzeinseleffekt“ leiden Menschen in Städten besonders an den steigenden Temperaturen. Untertags bewirken die Gebäude und versiegelten Flächen – bei gleichen Luft-Temperaturen – eine höhere Hitzebelastung als im Umland oder in einem Wald, abends verhindern die Tropennächte einen erholsamen Schlaf. Beide Effekte akkumulieren sich und bewirken, dass es zu gesundheitlichen Belastungen kommt. 

Zudem wächst die Bevölkerungszahl bei begrenztem städtischem Raum stetig. Dies bedeutet aber einen höheren Druck, Linz weiter zu verdichten. Weitere Versiegelung und Hochhausbauten können die Folge sein. Neben der Tatsache, dass durch die Klimakrise das Temperaturniveau insgesamt ansteigt, verstärken diese Entscheidungen und Gebäude die Hitzebelastung. Die Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Stadtklima wird daher zunehmend wichtiger. 

Ziel der Studie 

Um ein auf Linz abgestimmtes Stadtklimaprogramm zu entwickeln, hat das Umweltressort die Weatherpark  GmbH – Meteorologische Forschung und Dienstleistungen beauftragt, die bestehenden Stadtklimainformationen der Stadt Linz zu erheben und zu bewerten um Maßnahmenempfehlungen für ein Stadtklimaprogramm abzuleiten. Dazu wurden seitens Weatherpark Interviews mit zuständigen Stellen bei der Stadt Linz, dem Land Oberösterreich und weiteren ExpertInnen (z.B. ZAMG, AIT – Austrian Institute of Technology) geführt. Hierbei wurde auch erfragt, inwieweit die bestehenden Informationen in der Praxis auch tatsächlich nutzbar sind und angewandt werden und welche Unterstützung und Änderungen es braucht, um Stadtklimafragen tatsächlich in allen Prozessen zu verankern.  

Maßnahmenempfehlungen 

Stadtklimaanalyse  

Anhand einer Stadtklimaanalyse sollen aktuelle Grundlagen für eine Stadtklimapolitik erstellt werden. Eine Stadtklimaanalyse ist eine systematische Erfassung des Klimas einer Stadt und soll als Basis für alle weiteren Schritte dienen. Die Erstellung dauert ca. ein Jahr und wird im besten Falle mit dem Stadtentwicklungsplan (STEP) koordiniert. 

Das Ergebnis einer Stadtklimaanalyse sind sogenannte Planungshinweiskarten. Anhand dieser ist daher bereits für ArchitektInnen und StadtplanerInnen leicht erkennbar, ob ein neues Bauvorhaben / Umbauvorhaben in einem klimatologisch sensiblen Gebiet liegt und ob eine detailliertere Untersuchung oder eine ExpertInnenberatung notwendig ist. Zusätzlich zu der Planungshinweiskarte könnte mit einem Entscheidungsbaum festgelegt werden, welche Schritte wann und wo zu tun sind. 

Nach einer Richtlinie des VDI (Verein Deutscher IngenieurInnen) sind die Ziele einer planungsbezogenen Stadtklimatologie u.a.

  • Abbau von Wärmeinseln 
  • Optimierung der städtischen Belüftung 
  • Stadtplanung für die Lufthygiene und den thermischen Komfort 
  • sowie Erhaltung und Förderung von Frischluft- oder Kaltluftentstehungsgebieten.

Aus diesen Zielen ergeben sich mögliche Festlegungen/Richtlinien, wie z.B. Freihalten von Frischluftschneisen, vorgeschriebene Gebäudeausrichtungen, Höhenbeschränkungen etc. Diese Maßnahmen sollten in der Bebauungsplanung oder in der Flächenwidmungsplanung eingearbeitet werden. 

Überarbeitung der 10-Punkte-Checkliste für Hochhäuser

Wer in Linz ein Hochhaus errichten will, muss zuvor die sogenannte 10-Punkte-Checkliste abarbeiten. Die Checkliste ist derzeit jedoch nicht rechtlich verankert und es sind auch keine verbindlichen Maßnahmen oder Grenzwerte angegeben. Eine Aktualisierung bzw. Überarbeitung inklusive Erklärungen mit Vorgaben (qualitativer oder quantitativer Art – je nach Parameter) und insbesondere eine rechtliche Verankerung ist daher zu empfehlen. Dazu sollten neben der Durchlüftung und der Windwirkung (Punkt sieben der Checkliste) auch Fragen zum städtischen Mikroklima (am besten basierend auf einer Stadtklimaanalyse), sowie zur städtischen Überhitzung (Hitzeinsel, Hitze untertags, Sommerkomfort, Kaltluftabfluss) zu einem möglichst frühen Projektzeitpunkt mitberücksichtigt werden. 

Stadtklimatologin/Stadtklimatologe 

Um die zukünftigen stadtklimatologischen Herausforderungen bewältigen zu können, bedarf es mehr an Expertise zu Stadtklimafragen innerhalb der Verwaltung. Derzeit haben die verschiedenen Stellen am Magistrat dazu weder den nötigen fachlichen Hintergrund noch die benötigten finanziellen und personellen Ressourcen. Deshalb empfiehlt Weatherpark die Anstellung einer Stadtklimatologin/eines Stadtklimatologen. Als Primärexperte/in könnte eine/ein Stadtklimatologin/e den anderen Fachabteilungen beratend zur Seite stehen. An dieser Position können auch Informationen über etwaige nationale und internationale Entwicklungen zusammengeführt und weiter verteilt werden. Dies würde zu einer besseren Kommunikation und Abstimmung bezüglich Stadtklimatologie/ Klimawandelmaßnahmen innerhalb der Stadt Linz beitragen. 

Maßnahmen gegen die Überhitzung

Aufbauend auf die Stadtklimaanalyse sollen in einem Klimawandelanpassungskonzept allgemein verständliche Maßnahmen- und Handlungsempfehlungen für Linz formuliert werden. Dies sollte jedoch kein allgemeiner Maßnahmenkatalog zur Klimawandelanpassung für die gesamte Stadt Linz sein, da nicht an jedem Standort die gleichen Maßnahmen sinnvoll sind. Es braucht vielmehr immer ein an den jeweiligen Standort angepasstes Maßnahmenpaket. 

Die besten Ergebnisse werden durch einen spezifischen Maßnahmenmix erzielt. Oft ist daher eine gemeinsame Betrachtung der Windsituation und der Hitzebelastung notwendig, um einen klimaresilienten Stadtraum erhalten zu können. Die Erstellung eines Klimawandelanpassungskonzeptes sollte eine Zusammenarbeit von externen FachexpertInnen und der Stadt sein. Dafür ist es ratsam, innerhalb der Stadt eine übergeordnete (interdisziplinäre) Projektgruppe aufzustellen, die sich aus MitarbeiterInnen aus allen betroffenen Geschäftsbereichen zusammensetzt. Daher ist es notwendig, zu Beginn festzustellen, welche Bereiche sich in ihrer täglichen Arbeit bereits heute oder auch in der Zukunft mit dem Thema Stadtklima/Klimawandel befassen (müssen). Dies soll sicherstellen, dass alle gesamtstädtischen Zusammenhänge und Querschnittsfragen beachtet werden.

Klimabeirat/ ExpertInnenbeirat

Weatherpark empfiehlt die Einsetzung eines Klimabeirates. Ähnlich wie andere Beiräte, wie z.B. der Stadtkulturbeirat, soll ein Klimabeirat der Stadt be-ratend zur Seite stehen und Projekte unterstützen und koordinieren. Über solch einen Beirat, den auch das UCCRN (Urban Climate Change Research Network) empfiehlt, kann auch ein Eindruck gewonnen werden, wie andere Städte damit umgehen. Außerdem kann von den beteiligten Fachleuten eine Expertise abgeholt werden. 

Fortbildung und Transformationsprozess der Stadtverwaltung  

Die Implementierung der Erkenntnisse der Stadtklimaanalyse und des darauf aufbauenden Klimawandelanpassungskonzeptes in vorhandene Planungsprozesse auf unterschiedlichen Planungsebenen obliegt der Stadt. Dafür braucht es auch eine Koordinationsstelle, um den Prozess zu strukturieren und zu vereinheitlichen. Als Koordinationsstelle würde sich eine/ein Stadtklimatologin/e anbieten. Auch ein Stadtklimabeirat könnte hier unterstützend mitwirken.  

Zu einem erfolgreichen Transformationsprozess zählt auch, dass sich die gesamte Organisationsstruktur der Stadt stärker auf Klimawandel und Klimawandelanpassung ausrichtet. Dafür sind entsprechende Fortbildungen, aber insbesondere die Verteilung von Wissen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass es dafür sinnvoll ist, regelmäßige Workshops mit ExpertInnen durchzuführen, um das Wissen innerhalb der ganzen Stadtverwaltung bestmöglich zu verankern. Diese Workshops sollten Inputs von unterschiedlichen Fachleuten einbringen:

  • LandschaftsplanerInnen: Kenntnisse zu klimafitten Straßenbäumen, passende Einpflanzungen / Verpflanzungen, Schaffen von Wurzelraum (Schwammstadt), etc.
  • VerkehrsplanerInnen
  • MeteorologInnen: Erklärung und Interpretation von Mess- und Simulationsergebnissen, Möglichkeiten und Grenzen der Modelle

Außerdem lohnt es sich, ein interdisziplinäres Team bestehend aus stadtinternen MitarbeiterInnen und auch externen Fachleuten aufzustellen. Dieses Team sollte die Themen Mobilitätsdesign, Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung, Stadtklimatologie etc. abdecken. Durch regelmäßige Treffen dieses Teams kann der Austausch und die bessere Zusammenarbeit unter den Fachrichtungen gefördert werden. 

Austausch national und international

Bei einer globalen Erwärmung bis 2080 um 4,2 °C, wird Linz im wärmsten Sommermonat 2080 so warm sein, wie es heute bereits in der afrikanischen Stadt Lilongwe (Malawi) ist. Das bedeutet einen Anstieg der mittleren Tageshöchsttemperatur im wärmsten Monat um 4,5 °C (von 25,5 °C heute auf 30,0 °C). Anstatt von 251 Heiztagen wird es dann keinen einzigen mehr geben. Die Vegetationstage würden von 243 auf 365 Tage ansteigen. Auch bei einer globalen Erwärmung um „nur“ 1,8 °C bis 2080 kommt es zu einer Erhöhung der mittleren Tageshöchsttemperatur im wärmsten Monat von 25,5 °C auf 28 °C. 

Um zu erfahren, wie Gesellschaft und Politik sich an ein solches Klima anpassen können, kann ein Austausch mit einer Stadt, die ein für Linz ähnlich prognostiziertes Klima bereits heute hat, Aufschluss geben. In Deutschland haben dies bereits Städte gemacht (z.B. Düsseldorf, Ludwigsburg). 

Innerhalb Österreichs könnten Klimaanpassungsstrategien als Schwerpunktthema insbesondere am Städtetag zielführend sein, da dieser von vielen Mitarbeiter/innen der Stadt Linz besucht wird.

COIN Studie

Das Projekt COIN (Cost of Inaction – Assessing Costs of Climate Change for Austria) hat für 6 österreichische Städte jene Veränderung im Temperaturkomfort untersucht, die bei einer Erwärmung von bis zu 2 °C bis 2050 (moderates Klimawandelszenario) zu erwarten wäre. Dabei wurde auch berechnet, wie viel zusätzliche Grünflächen notwendig wären, um trotz Klimaveränderungen den jetzigen Temperaturkomfort zu erhalten. Für Linz würden für die Errichtung und Instandhaltung dieser hypothetischen Grünflächen Investitionskosten von ca. 200 Millionen Euro anfallen.

Für Wien speziell wurde ebenfalls solch eine COIN-Studie durchgeführt. Auch für Linz wäre so eine detailliertere Untersuchung der Klimawandelfolgen und -folgekosten interessant. Ebensolche Vorschläge für Studien und Projekte sollten vom Klimabeirat bzw. der Stadtklimatologin/dem Stadtklimatologen kommen.

Bewusstseinsbildung bei Stakeholdern und Bevölkerung

Aussagekräftige und grafisch gut aufbereitete Analysen der aktuellen Stadtklimasituation sind wichtige Grundlagen, um auch die Bevölkerung und Stakeholder besser informieren zu können. Zudem können sie dazu beitragen, das Verständnis für kostenintensive Maßnahmenumsetzungen und Projekte zu erhöhen. Um das Wissen in Bezug auf Stadtklimafragen in der Bevölkerung generell zu verbessern, werden Spaziergänge, Informationen auf der Homepage sowie spezifische Themenveranstaltungen empfohlen. 

„Linz im Klimawandel“ – Informationsveranstaltung am 17. September im afo 

Um über die derzeit laufenden Stadtklima-Forschungsprojekte und über notwendige Maßnahmen zu informieren, lädt das städtische Umweltmanagement zu einem Informationsabend mit ExpertInnen ein.  Dr.in Tanja Tötzer und Dr. Wolfgang Loibl vom Austrian Institute of Technology werden über das EU-Projekt CLARITY berichten. Mag. Simon Tschannett – Weatherpark GmbH für meteorologische Forschung und Dienstleistungen stellt Empfehlungen für ein Stadtklimaprogramm vor. 

Termin: Dienstag, 17. September 2019, ab 18 Uhr
Ort: architekturforum (afo), Herbert-Bayer-Platz 1, 4020 Linz
Anmeldung erbeten unter: um.ptu@mag.linz.at oder +43 732 7070 3971 oder 3972  

(Informationsunterlage zur Pressekonferenz von Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger, Mag. Simon Tschannett von Weatherpark, DI Wilfried Hager, Abteilungsleiter Umweltmanagement zum Thema „Linz im Klimawandel“)

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