„Digitales Pflegeheim“ — Linz geht neue Wege in der Pflege Digitale Lösungen entlasten Pflegekräfte und unterstützen Senior*innen
Die Stadt Linz unterstützt im Zuge des Oö. Pflegetechnologiefonds vier Projekte mit klarem Schwerpunkt auf Innovation und Digitalisierung. Ziel ist es, durch den Einsatz von Digitalisierung und Technologie Pflegekräfte und pflegende Angehörige zu entlasten und die Betreuungsqualität zu verbessern.
Das Projekt „Digitales Pflegeheim“ ist eines der geförderten Projekte dieses Fonds. Die verschiedenen Komponenten eines digitalen Pflegeheims sollen unter Praxisbedingungen getestet, weiterentwickelt und vollständig implementiert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Erprobung von Telemedizin, die es trotz räumlicher Trennung ermöglicht, Patient*innen durch Ärzt*innen zu diagnostizieren und zu therapieren. Spezielle Geräte wie Televisitenwagenüber die die Behandlung aus der Ferne läuft, können die Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen verbessern und die Anzahl ambulanter Aufnahmen sowie Krankentransporte reduzieren. Die Finanzierung erfolgt zu gleichen Teilen durch das Land Oberösterreich und die Stadt Linz.
„Die demografische Entwicklung zeigt deutlich, dass der Anteil älterer Menschen weiter ansteigen wird. Dies stellt uns vor große Herausforderungen in der Pflege und erhöht die Belastungen für Pflegekräfte. Gleichzeitig schreiten die technologischen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung nicht nur in der Produktion, sondern auch im Dienstleistungssektor voran. Im Bereich der Betreuung und Pflege geht es darum, digitale Lösungen zu finden, die Pflegekräfte entlasten, Prozesse optimieren, die Dokumentation vereinfachen und letztlich mehr Sozialzeit für unsere Bewohner*innen ermöglichen“, erklärt der geschäftsführende Vizebürgermeister Dietmar Prammer.
„Unser Ziel ist es, die Pflegekräfte zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die Bewohner*innen zu verschaffen. Der Pflegeberuf ist äußerst fordernd, und um unsere Pflegekräfte zu unterstützen, ist es wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit dem Projekt ‚Digitales Pflegeheim‘ setzen wir auf neue Technologien, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen und den Personalmangel zu reduzieren. Digitale Werkzeuge optimieren Arbeitsabläufe und geben den Mitarbeiter*innen mehr Zeit für die Pflege“, sagt Vizebürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der Seniorenzentren Linz (SZL) Karin Hörzing.
„Durch die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Fachhochschule OÖ stellen wir sicher, dass wir mit dem Projekt die Wirkung des Einsatzes von Technologien in der Pflege präzise messen können. Daraus ergeben sich wertvolle Erkenntnisse für den Pflegebereich über unsere Organisation hinaus. Speziell die Zusammenarbeit mit dem Ordensklinikum Linz Elisabethinen im Bereich Telemedizin ist zukunftsweisend und Pionierarbeit für den gesamten Gesundheitsbereich“, ergänzt der Geschäftsführer der Seniorenzentren Linz Robert Ritter-Kalisch.
Die SZL GmbH arbeitet mit der Firma x-tention Informationstechnologie GmbH aus Wels zusammen, die modernste Technologie in ihr Pflegedokumentationssystem einbindet. Ziel der verstärkten Digitalisierung ist es, den Bewohner*innen eine bessere Pflege, mehr Sicherheit und eine höhere Lebensqualität zu bieten. Die SZL nutzen seit Jahren ein fortschrittliches elektronisches Dokumentationssystem und Tablets für die Pflege, einschließlich Wunddokumentation. Bereits im Einsatz sind technische Hilfsmittel zur Sturzerkennung und Ortungssysteme für Menschen mit Demenz, die nun durch modernere Systeme nach einer Testphase ersetzt werden sollen.
Pflegedokumentation per Spracheingabe
Mit Hilfe künstlicher Intelligenz wird die tägliche Pflegedokumentation weiter vereinfacht: Dank der Spracherkennung der Firma voize GmbH kann die Dokumentation nun einfach am Smartphone eingesprochen werden. Aus dem Eingesprochenen: „Frau S. hat eine Tasse Kaffee getrunken und gut gefrühstückt. Blutzucker 120” versteht die KI, was die Pflegekraft dokumentieren möchte, und erstellt Trinkprotokoll, Ernährungsprotokoll und Vitalwert im bestehenden Dokumentationssystem. Händische Eingaben werden damit überflüssig. Der Sprachassistent auf dem Smartphone steckt während der gesamten Schicht in der Tasche und steht zur Dokumentation zur Verfügung. Die KI versteht Dialekte und lernt die Sprechweise der Pflegekräfte. Diese Art der Dokumentation spart jede Menge Zeit, entlastet die Pflegekräfte und schafft mehr Zeit für die Betreuung der Bewohner*innen.
Dank der Spracherkennung wird schriftliche Dokumentation überflüssig. (Foto: Stadt Linz)
Sturzsensorik und Risikomonitoring
Stürze sind eine häufige Ursache für Verletzungen bei pflegebedürftigen Menschen. Daher sind eine effektive Sturzerkennung und Sturzprävention von großer Bedeutung. Die Sturzsensorik Livy Care ist ein Sturzerkennungssystem mit mehreren Sensoren. Diese verfügen über vielfältige Möglichkeiten, wie z.B. die Erfassung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Durch ein engmaschigeres Monitoring können potenzielle Risiken frühzeitig erkannt werden, der Nachtdienst wird entlastet und die Bewohner*innen-Sicherheit enorm erhöht.
Die hochentwickelten Sensoren können nicht nur Stürze erkennen, sondern tragen ebenfalls dazu bei, die Belastung für Pflegebedürftige und Pflegepersonen zu verringern. So wird demnächst die Einbindung von CGM-Sensoren (zur kontinuierlichen Blutzuckermessung) in die Livy Care Technologie getestet. Die Livy Care Technologie überträgt vollautomatisch die vom Sensor gemessenen Blutzuckerwerte in die Dokumentation und alarmiert das Personal bei zu hohen oder niedrigen Werten. Dies erspart einerseits die händischen Messungen und damit den Bewohner*innen das unangenehme Stechen sowie andererseits die Eingabe in die Dokumentation.
Moderne Sensoren erkennen Stürze und alarmieren das Pflegepersonal. (Foto: Stadt Linz)
Telemedizin
Telemedizin ermöglicht es, Gesundheitsdienstleistungen mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bereitzustellen oder zu unterstützen, auch wenn Patient*innen und Gesundheitsdienstleister nicht am selben Ort sind. Dies umfasst Ärzt*innen, Apotheken, Krankenhäuser und Pflegepersonal. Wichtig ist dabei die sichere Übertragung medizinischer Daten für Prävention, Diagnose, Behandlung und Nachsorge in Form von Text, Ton und Bild. Das Telemedizin-System der Firma Docs in Clouds TeleCare GmbH bietet Lösungen für Kommunikation, Dokumentation und Diagnostik. Es stellt sicher, dass Ärzt*innen die benötigten Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben.
Die Zusammenarbeit mit dem Ordensklinikum Linz Elisabethinen stellt einen weiteren wichtigen Meilenstein im Bereich der Telemedizin dar. Im Seniorenzentrum Liebigstraße läuft seit Kurzem ein Pilotprojekt, das den Einsatz moderner telemedizinischer Technologien in der Praxis erprobt. In Kooperation mit der Notfallambulanz des Ordensklinikums werden regelmäßig gemeinsame Fallbesprechungen durchgeführt. An zwei festgelegten Zeitfenstern pro Aufnahmetag können medizinische Anliegen der Bewohner*innen direkt vor Ort mit diplomierten Pflegekräften und dem ärztlichen Team der Ambulanz besprochen werden.
Diese Zusammenarbeit hat gleich mehrere Vorteile:
- Entlastung der Bewohner*innen: Ältere Menschen müssen nicht mehr den oft beschwerlichen Weg ins Krankenhaus antreten.
- Reduzierung von Krankentransporten: Viele typische Fälle, die bisher eine Fahrt ins Krankenhaus erforderten, können nun vor Ort gelöst werden.
- Effizienzsteigerung im Krankenhaus: Die Notfallambulanz wird durch ein verringertes Patient*innenaufkommen entlastet, sodass sich die Kapazitäten auf akutere Fälle konzentrieren lassen.
Das eingesetzte Telemedizin-System ermöglicht eine sichere und zuverlässige Übertragung medizinischer Daten in Echtzeit. Dies gewährleistet, dass Ärzt*innen über alle notwendigen Informationen verfügen, um eine fundierte Diagnose stellen zu können. Die Kooperation zwischen dem Seniorenzentrum Liebigstraße und dem Ordensklinikum zeigt eindrucksvoll, wie die Integration von telemedizinischen Lösungen in der Praxis die medizinische Versorgung nachhaltig verbessern kann.
Foto: Stadt Linz
Stadt Linz übernimmt Kosten von 75.000 Euro
Die gesamten Projektkosten für das „Digitale Pflegeheim“ belaufen sich auf 201.370 Euro. Im Rahmen des Oö. Pflegetechnologiefonds werden Kosten in Höhe von 150.000 Euro gefördert, die zu 50 Prozent durch das Land Oberösterreich finanziert werden. Die restlichen 50 Prozent werden durch die Stadt Linz getragen. Für die Stadt Linz belaufen sich die Kosten auf insgesamt maximal 75.000 Euro.
Vorteile der Technologien für Pflege und Betreuung
Die Technologien im Seniorenzentrum Liebigstraße bieten mehrfachen Nutzen. Einzelne Technologien wie Sturzsensoren bringen Vorteile, aber der kombinierte Einsatz mehrerer digitaler Tools schafft zusätzliche Synergien. Das Projekt testet verschiedene digitale Lösungen im Pflegeheim, um die Pflegekräfte zu entlasten und den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Dies führt zu mehr Zeit für die soziale Interaktion zwischen Pflegekräften und Bewohner*innen, was besonders bei der Betreuung von Demenzerkrankten wichtig ist. Weniger administrative Aufgaben und Überwachungstätigkeiten erhöhen die Zufriedenheit der Bewohner*innen und der Pflegekräfte. Diese Effekte sind wichtig, um eine zukunftsfähige Pflege für die wachsende ältere Bevölkerung sicherzustellen. Jüngere, technologieaffine Generationen könnten sich durch ein digitales Pflegeheim eher angesprochen fühlen. Die wissenschaftliche Evaluierung des Projekts liefert wertvolle Erkenntnisse für einen möglichen landesweiten Roll-out und zeigt, was in der Digitalisierung der Pflege funktioniert.
Wissenschaftliche Begleitung des Projekts
Die wissenschaftliche Begleitung durch die FH OÖ konzentriert sich auf die Implementierung der digitalen Lösungen im Seniorenzentrum Liebigstraße. Dabei werden die Erwartungen, Befürchtungen und Hoffnungen der Pflegekräfte, Bewohner*innen und deren Angehörigen untersucht. Geplant sind Befragungen zu verschiedenen Zeitpunkten, um die Wahrnehmung der Pflegekräfte zu erfassen. Um die Pflegekräfte nicht zusätzlich zu belasten, wird eine einfache digitale Lösung für die Befragungen angedacht. Zusätzlich sind Beobachtungen im Heim vorgesehen, um die Auswirkungen der digitalen Lösungen zu analysieren.
Datenschutz
Besonderes Augenmerk beim Einsatz der Technologien und der wissenschaftlichen Begleitung wird auf Datenschutz-Aspekte gelegt. Gerade der Einsatz von Sensorik und KI sowie der elektronischen Übermittlung von medizinischen Daten benötigt eine sensible Betrachtung möglicher Auswirkungen auf Beschäftigte sowie Bewohner*innen des Seniorenzentrums und den Umgang mit möglichen Vorbehalten, Ängsten und Bedenken. Bereits im Vorfeld des Projekts bzw. in der Testphase waren daher der interne und der unternehmensexterne Datenschutzbeauftragte eingebunden.
Informationsunterlage zur Pressekonferenz mit dem geschäftsführenden Vizebürgermeister Dietmar Prammer, Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Karin Hörzing und Mag. Robert Ritter-Kalisch, Geschäftsführer der Seniorenzentren Linz, zum Thema „Digitales Pflegeheim — Linz geht neue Wege in der Pflege“)