Ausstellung "asozial" - Ausgrenzung gestern und heute
Diese Ausstellung bietet das Frauenbüro der Stadt Linz in Kooperation mit dem Institut für Konfliktforschung (IKF) an. Die Ausstellung besteht aus 14 Postern in form von Rollups die leicht aufgestellt werden können, zudem stehen Schulungsunterlagen als Download zur Verfügung.
Anfragen zum Ausleihen der Ausstellung bitte an frauenbuero@mag.linz.at.
Die Ausstellung kann nur gegen Selbstabholung verliehen werden!
Über die Ausstellung
Entstehungsgeschichte
Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr und Elke Rajal haben am Wiener Institut für Konfliktforschung in den Jahren 2017/2018 ein Forschungsprojekt zum Thema „‘asozial‘ im Nationalsozialismus und die Fortschreibung im Nachkriegsösterreich“ durchgeführt. Ausgangspunkt dabei war, dem Schicksal jener Frauen nachzugehen, die unter der Kennzeichnung „asozial“ im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück sowie im benachbarten Jugendkonzentrationslager Uckermark inhaftiert waren. Wir gingen auf Spurensuche über eine Gruppe, die auch in der Forschung lange Zeit vernachlässigt wurde und über die dementsprechend wenig Wissen vorhanden war. Diese Verfolgtengruppe passte, ähnlich wie die Gruppe der als „Kriminelle“ Verfolgten, nicht ins Bild der bislang dominanten Opfergruppen, die entweder aufgrund heroischer Widerstandstaten oder rassistischer Verfolgung ins Konzentrationslager kamen. Damit agierte die Forschung ähnlich wie die Lagergemeinschaften, der Gesetzgeber oder die staatliche Verwaltung und stützte die Zuschreibung, die als „asozial“ bzw. „kriminell“ Stigmatisierten hätten ihre KZ-Haft selbst verschuldet, sie seien „zu Recht“ im KZ gewesen.
Die Erkenntnisse aus diesem Forschungsprojekt fassten wir in einer Publikation und einer Wanderausstellung zusammen.
Inhaltlicher Überblick zur Wanderausstellung
Wir beginnen nach einer Einführung ins Thema [Poster (P) 1 und 2] mit einer Begriffsbestimmung von „asozial“ – eine Zuschreibung, welche die national-sozialistische Ideologie im Wesen eines Menschen begründet sah, galten doch soziale Merkmale als vererbbar und negative soziale Merkmale als schädlich für die Schafufng einer „arischen Herrenrasse“ (P 3).
Dann diskutieren wir auf zwei Tafeln die dominanten Zuschreibungen von „asozial“, nämlich „arbeitsscheu“ und „liederlicher Lebenswandel“ (P 3 und 4). Nach dieser begrifflichen Auseinandersetzung beschäftigen sich die folgenden Ausstellungstafeln mit den Konsequenzen, die es mit sich brachte, wenn man von Behörden, z.B. dem Gesundheitsamt, dem Arbeitsamt oder der Polizei, als „asozial“ eingestuft wurde: Unter Berufung auf das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden Frauen, deren angebliche „Asozialität“ auf „angeborenen Schwachsinn“ oder „erbliche Vorbelastung“ zurückgeführt wurde, zwangssterilisiert (P 6). Die sogenannten psychiatrischen Gutachten, die einen derartigen gewaltsamen Eingriff ermöglichten, stellten aber oft keine medizinischen Befunde dar. Vielmehr urteilten sie über das Sozialverhalten der Personen gemäß den nationalsozialistischen Vorstellungen eines „gesunden Volkskörpers“, also einer rassistisch-biologisch begründeten und ideologisch strikt homogen gedachten Gesellschaft. Unter Berufung auf Bestimmungen aus fürsorgerechtlichen Verordnungen wurden Zwangsverwahrung, erweiterte Einweisungsbefugnis und v.a. auch vorbeugende Maßnahmen angewandt: Sobald eine Behörde eine zukünftige Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen behauptete, war eine Zwangseinweisung in ein Arbeitslager möglich. Die Wiener „Asozialenkommission“ ist ein Beispiel für das Bestreben, das Zusammenspiel der Behörden zu koordinieren und so die Effizienz in der „Asozialen“-Verfolgung zu erhöhen. Den gesetzlichen Grundlagen zur Verfolgung von „Asozialität“ und wie diese in Form von sogenannten Asozialenkommissionen, einer österreichischen
Besonderheit, umgesetzt wurden, widmen wir uns auf zwei weiteren Tafeln (P 7 und 8).
Welche konkreten Folgen diese Ausgrenzungspolitik für einzelne Frauen hatte, zeigen wir auf den weiteren Tafeln: zunächst anhand der Verfolgung von Jugendlichen als „Asoziale“ und dem für sie geschaffenen Jugendkonzentrationslager „Uckermark“ (P 9 und 10). In der Nachbarschaft des Frauen-KZ Ravensbrück gelegen, wurden dort rund 1.200 junge Frauen und Mädchen eingesperrt, die als „unerziehbar“ galten. Ihr Alltag war geprägt von Angst, Gewalt, Drill, Hunger, Kälte und Schikane. Alle mussten sie Zwangsarbeit verrichten, zehn bis zwölf Stunden täglich. „Ich hab nur geweint die ersten Tage, aber das waren meine letzten Tränen“, so übertiteln wir die Lebensgeschichte von Käthe A., die in eben diesem Jugend-KZ Uckermark zwei Jahre
Häftling war (P 11).
Auf zwei Tafeln gehen wir auf die Überlebensbedingungen der als „asozial“ kategorisierten Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück selbst ein und präsentieren die Lebensgeschichte einer Österreicherin (P 12 und 13). Geschätzte 5.000 Frauen waren in Ravensbrück als „Asoziale“ inhaftiert. Diese Kennzeichnung bedeutete im KZ eine niedrige Stellung in der Häftlingshierarchie und damit zumeist schwerere und schmutzigere Arbeiten und insgesamt verminderte Überlebenschancen.
Schließlich zeigen wir anhand der Debatte um die Anerkennung als NS-Opfer sowie anhand eines Gerichtsverfahrens die anhaltenden Ausgrenzungen im Nachkriegsösterreich auf (P 14). Erst 1995 anerkannte der neu geschaffene Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus die als „asozial“ Stigmatisierten als Opfer (mit den weiteren bis dahin nicht berücksichtigten Opfergruppen, unter ihnen jene der „Kriminellen“ oder „Homosexuellen“). Das Opferfürsorgegesetz war zu diesem Schritt erst im Jahre 2005 bereit.
Warum der Fokus auf Frauen?
Über weibliche Geschichte ― auch im Kontext Konzentrationslager ― ist das Wissen nach wie vor geringer als über die männlichen (normativ gesetzten) Erfahrungswelten. Das gilt besonders für lange Zeit generell vernachlässigte/tabuisierte Häftlingsgruppen wie eben diejenige der „Asozialen“, aber auch die sogenannten Kriminellen oder die aufgrund ihrer Homosexualität Verfolgten.
Aufzeigen von Kontinuitäten
In dieser Ausstellung ist uns das Aufzeigen von Parallelen und Kontinuitäten der Ausgrenzung ein großes Anliegen. Stigmatisierung und Disziplinierung haben eine jahrhundertealte Geschichte, die in der Radikalisierung durch den Nationalsozialismus ihren Höhepunkt, nicht aber ihren Endpunkt fand. Das möchten wir mit der Ausstellung vermitteln.
Überschriften und Reihung der Ausstellungstafeln:
- P 0 Titelposter
- P 0 Einleitung
- P 1 „Vom Wesen her ‚asozial‘“ – Begriffsbestimmungen
- P 2 „Wer nicht arbeiten will, der soll nicht essen“
- P 3 „Liederlicher Lebenswandel“ – Zuschreibungen an Frauen
- P 4 Zwangssterilisation als ultimative Maßnahme gegen „Asozialität“
- P 5 Rechtliche Grundlagen der Verfolgung von „Asozialen“
- P 6 Asozialenkommissionen: eine österreichische Besonderheit
- P 7 Verfolgung von Jugendlichen
- P 8 Das Jugendkonzentrationslager Uckermark
- P 9 „Ich hab nur geweint die ersten Tage, aber das waren meine letzten Tränen“ (Käthe A., Häftling im Jugend-KZ Uckermark)
- P 10 „Asoziale“ im Frauen-KZ Ravensbrück
- P 11 Helene O.: „Politisch nicht auffällig, weder im positiven noch im negativen Sinne“
- P 12 Anhaltende Ausgrenzungen im Nachkriegsösterreich
Ansicht der gesamten Ausstellung (PDF, 10,9 MB)
Schulungsunterlagen
Einleitende Informationen für Lehrer*innen (PDF, 763 KB)
Themenheft 1 Ausgrenzung gestern und heute - Ein Rundgang durch die Ausstellung (PDF, 0,8 MB)
Themenheft 2 Karteikarte der Arbeitsanstalt Am Steinhof - Arbeiten mit Täterdokumenten, (PDF, 1,4 MB)
Themenheft 3 Gleich – Ungleich – Ungleicher - Wie Mädchen und Frauen zu sein haben, (PDF, 1,6 MB)
Themenheft 4 Wer nicht arbeitet, soll nicht essen - Das Prinzip Leistung, (PDF, 3 MB)
Themenheft 5 Am Anfang steht die üble Nachrede/Verleumdung - Mechanismen der Ausgrenzung , (PDF, 1,7 MB)
Themenheft 6 Jugendliche Opposition gegen den Gleichschritt, (PDF, 7,3 MB)
Themenheft 7 Wegsperren – Einsperren – Aussperren - Orte der Verfolgung, (PDF, 3,8 MB)
Workshop-Konzept 1 Das Stigma „asozial“ und seine Beständigkeit, (PDF, 5,7 MB)
Workshop-Konzept 2 Biografien-Workshop, (PDF, 6.2 MB)
Konzept & Umsetzung: Helga Amesberger & Brigitte Halbmayr (Institut für Konfliktforschung)
Layout: Bernadette Dewald
Copyright: Institut für Konfliktforschung 2019